Medizingeschichte

  • Titel: Medizingeschichte
  • Autor: Frank
  • Organisation: UNI MUENSTER
  • Seitenzahl: 48

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Inhalt

  • Konzepte der Medizin
  • Aufstieg der Bakteriologie Infektionskrankheiten Louis Pasteur Robert Koch
  • Philosophie des Geistes
  • Medizin und Nationalsozialismus

Vorschau

Hans-Peter Kröner

Skript zum Teil „Medizingeschichte“ der GTE-Vorlesung

1. Konzepte der Medizin ……………………………………………………………………………………………………………………………….. 2 1.1 Das magisch-animistische Konzept ………………………………………………………………………… 2 1.2 Theurgische Medizin …………………………………………………………………………………………… 4 1.3 Das Humoralpathologische Konzept ……………………………………………………………………….. 7 1.3.1 Exkurs: Der Eid des Hippokrates …………………………………………………………………………. 9 1.3.2 Überlieferungswege der antiken Medizin……………………………………………………………….10 1.4 Exkurs: Renaissance und Medizin………………………………………………………………………….11 1.5 Neue Konzepte: Iatrochemie, Iatrophysik, Iatrodynamik………………………………………………14 1.6 Iatromorphologische Konzepte………………………………………………………………………………16 1.7 Das naturwissenschaftliche Krankheitskonzept …………………………………………………………17 2. Medizin und Nationalsozialismus…………………………………………………………………………………………………………… 19 2.1 Wurzeln der NS-Medizin………………………………………………………………………………………19 2.1.1 Sozialdarwinismus ………………………………………………………………………………………..20 2.1.2 Eugenik/Rassenhygiene …………………………………………………………………………………21 2.1.3 Rassenanthropologie …………………………………………………………………………………….24 2.1.4 Antisemitismus …………………………………………………………………………………………….26 2.2 Medizin im Nationalsozialismus: Heilen und Vernichten ………………………………………………29 2.2.1 Gleichschaltung ……………………………………………………………………………………………29 2.2.2 Die Vertreibung der jüdischen Ärzte ………………………………………………………………….30 2.2.3 „Neue Deutsche Heilkunde“ …………………………………………………………………………….32 2.2.4 Leistungsmedizin ………………………………………………………………………………………….33 2.2.5 NS-Rassenhygiene ……………………………………………………………………………………….34 2.2.5.1 Nationalsozialistische „Erbpflege“…………………………………………………………………………………….. 35 2.2.5.1.1 wangsterilisation ………………………………………………………………………………………………………… 35 2.2.5.1.2 NS -„Euthanasie“…………………………………………………………………………………………………………… 36 2.2.5.2 „Rassenpflege“…………………………………………………………………………………………………………………….. 41 2.2.6 K -Medizin ………………………………………………………………………………………………….42 2.2.6.1 Menschenversuche in Konzentrationslagern ………………………………………………………………….. 43 2.2.7 Der Nürnberger Ärzteprozess ………………………………………………………………………….45 2.2.8 Nürnberg und die Ethik…………………………………………………………………………………..47 Literatur: ………………………………………………………………………………………………………………………………………………………… 48

Im ersten Vorlesungsblock werden chronologisch in der Reihenfolge ihres historischen Auftretens die wichtigsten Konzepte der Medizin behandelt. Die vielfältigen Einflüsse, die zur Formulierung dieser Konzepte führten, ihre Verbindungen zu den sozialen, politischen und geistesgeschichtlichen Strömungen ihrer eit können aufgrund der Kürze der eit nicht ausreichend aufgezeigt werden. Deshalb wird im zweiten Vorlesungsblock mit der „Medizin im Nationalsozialismus“ eine historische Epoche dargestellt, bei der etwas ausführlicher auf den zeitgenössischen Kontext eingegangen wird. Die größer gedruckten und nicht eingerückten Absätze stellen den Prüfungsstoff da, die eingerückten Absätze sind weiterführende Erläuterungen oder Kommentare.

1. Konzepte der Medizin

Der erste Vorlesungsblock befasst sich vorzüglich mit der internen Wissenschaftsgeschichte der Medizin, der Entwicklung des konkreten Medizinwissens. Die Reihenfo lge der hier vorgestellten historischen Krankheitskonzepte spiegelt ebenfalls die mutmaßliche Chronologie ihrer Entstehung wieder. Der Begriff des „Konzeptes“ ist von Karl E. Rothschuh entlehnt, der ihn folgendermaßen definiert: “Krankheitskonzepte sind durchdachte, systematisch formulierte und begründete Theorien von den Krankheitserscheinungen, ihrem Charakter, ihrer Verursachung und ihrer Regelmäßigkeit. Sie sollen die Krankheit erklären, zu therapeutischen Schlussfolgerungen führen und Prognosen zu stellen erlauben (K.E. Rothschuh, Konzepte der Medizin in Vergangenheit und Gegenwart, Stuttgart 1978)“. Nach der Art ihres Erklärungskontextes lassen sich die Konzepte nach Rothschuh auch einteilen in: Supranaturalistische Konzepte, Naturalistische Konzepte, psychologisch-soziologische Konzepte, konzeptloses Konzept (Empirismus). Auch für die Konzepte gilt, dass sie, einmal eingeführt, bis auf die heutige eit nebeneinander koexistieren konnten und dass supranaturalistische oder psychologisch-soziologische Konzepte keineswegs naturalistische Erklärungen für bestimmte Phänomene (und umgekehrt!) ausschliessen. 1.1 Das magisch-animistische Konzept Das animistische Weltbild geht davon aus, dass die Welt grundsätzlich belebt oder beseelt ist (lat. anima = Seele), dass also auch Tiere, Pflanzen, aber auch Felsen, Flüsse und Berge eine Form von Belebtheit aufweisen, die es gestattet, sich mit ih2

nen in Verbindung zu setzen. Daneben existieren noch Geister und Dämonen, die die Welt mit den Menschen teilen und mit ihnen in Konflikt geraten können. Als magisch wird eine Weltsicht bezeichnet, die die Welt durch ein System von Entsprechungen, Ähnlichkeiten und Sympathien bestimmt ansieht. Grundlage des magischen Denkens ist die Analogie. Der magisch-animistisch ausgerichtete Mensch hat keine klaren Ich-Grenzen, kennt nicht die scharfe Trennung zwischen Subjekt und Objekt und lebt in einer eher kollektivistischen als individualistischen Gesellschaft. „Kollektivistisch“ und „individualistisch“ sind hier als Wertbegriffe zu vestehen: Während in einer individualistischen Gesellschaft das Individuum verbunden mit den Ideen von Freiheit und Gleichheit letzter weck aller Gesellschaftsbildung ist, sieht der kollektivistische Mensch seinen höchsten weck in der Einbindung in ein kosmologisches Ganzes, zu dem die Gesellschaft in vielfältigen Bezügen steht und das jedem Wesen seinen Platz und seine Stellung zuweist. Krankheit ist in der Regel die Folge einer Tabuverletzung, eines rituellen Fehlers bzw. einer rituellen Unterlassung oder die direkte Folge des Einwirkens eines bösartigen Dämons oder auberers. Tabus sind tradierte Verbote, die das usammenleben der Menschen sowohl untereinander als auch mit dem sie umgebenden belebten Kosmos und den Geistern regeln. Die kosmische Ordnung muss im Ritual ständig erneuert und bestätigt werden. Verletzt der Mensch diese Ordnung, strafen ihn die Geister, in dem sie in ihn einfahren, ihn schlagen, ihm die Lebenskraft entziehen oder andere magische Interventionen zu seinem Nachteil an ihm vollziehen. Krankheit kann daher als Besessenheit oder Verhextheit verstanden werden. Die klassische Heilerperson in magisch-animistischen Systemen ist der „Schamane“ oder „Medizinmann“. Aufgabe des Schamanen als „Experten für die Geisterwelt“ ist es zunächst, herauszufinden, was der Grund für den ustand des Patienten ist, also welches Verbot er übertreten oder we lchen Geist er verletzt hat. u diesem weck benutzt der Schamane divinatorische Mittel (Divination = Wahrsagen), da sich die Geister durch bestimmte eichen äußern können. Eine nächste Stufe ist der direkte Kontakt mit den Geistern, bei dem der Schamane auf eine Reise geht, d.h sich in einen außergewöhnlichen Bewusstseinszustand, in eine Ekstase oder Trance versetzt. Dazu benutzt er psychotrope Stoffe wie Halluzinogene (z.B. Mescalin) oder psychokinetische Methoden wie Tanzen, Trommeln oder das monotone Wiederholen von Invokationsriten. Hat der Schamane die Ursache für den ustand des Patienten erfahren, kann er diesen bele hren, was zu tun ist, welches Ritual z.B. wiederholt werden muss. Weitere „therapeutische Interventionen“ sind Austreibungsrituale oder Operationen (Schädelöffnung = Trepanation!), etwa bei Besessenheit durch