Prokrastination ist der immer wieder gerne sich selbst genehmigte Handlungs- und Entscheidungsaufschub für all das, was man jetzt lieber nicht erledigen will. Sie ist gleichzeitig ein höchst kontrovers beurteiltes Phänomen: „Morgen, morgen, nur nicht heute …“ oder „Besser eine Nacht drüber schlafen“? „Was du heute kannst besorgen … “ oder „Abwarten und Tee trinken“ Ist der Aufschieber nun entscheidungsschwach und ein Faulpelz, oder ein kluger Taktiker, der die Gunst der Stunde für sich zu nutzen weiß?
Prokrastination ist Handlung- bzw. Entscheidungs-Ersatz
Wer bewusst und im Sinne der Aufgabe aufschiebt, der handelt dennoch, und sei es nur durch Nicht-Handeln. Wer hingegen einer Sache aus dem Wege geht, weil ihm bestimmte Voraussetzungen fehlen, oder weil sie ihm Sorgen bereitet (man sagt dann, dass man „keine Lust“ hat, oder dass es „morgen besser“ geht, oder dass man den Handlungsdruck einfach braucht), der gehört zu den gut 60% der aufschiebenden Menschen, die sich bereits an das wiederholte Prokrastinieren als Handlungsoption gewöhnt haben. Ca. 5% hiervon werden daraus später deutliche Zeichen einer psychischen Störung entwickeln: Angst- oder Zwangsstörung, soziale Phobie, Depression oder Burnout. Es lohnt sich, wachsam zu sein. Das bewusst taktierende Aufschieben kann sinnvoll sein. Aber man macht mit ihm auch erste Bekanntschaft mit einer verlockenden Droge: Zeit- und Lustgewinn.
Aufschieben ist nicht gleich Aufschieben
Gewolltes Aufschieben wird gerne damit begründet, dass gerade jetzt ganz wichtige Erledigungs-Voraussetzungen fehlen (oft sind das: Zeit, finanzielle Mittel, bestimmte Fähigkeiten etc.) und weist damit bereits auf das Vorhandensein und Wirksamwerden gewisser Befürchtungen hin: beispielsweise die Befürchtung, etwas nicht gut und richtig hinbringen zu können. Damit hat sich das Thema „Angst“ nun durch die Hintertüre eingeschlichen. Angst allerdings ist nicht cool. Und Prokrastination kann nicht mehr als einfaches Selbstorganisations-Thema abgehandelt werden.
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Wer dann weiter aufschiebt, weil sein bisheriges Nicht-Erledigen schon einen Haufen Schwierigkeiten aufgetürmt hat, weil er es schon nicht mehr fertigbringt, Briefumschläge zu öffnen („administrative Prokrastination“), weil die „Leichen im Keller“ ihn regelrecht körperlich bedrücken, ist bereits so weit in einem selbstzerstörerischen Teufelskreis gefangen, dass dringend fachliche Hilfe gesucht werden sollte.
Selbsthilfe, Coaching oder Therapie?
Um sich den Wunsch nach mehr Leichtigkeit in den ungeliebten Aufgaben jenseits aller Aufschiebeverführung zu erfüllen ist eine realistische Selbsteinschätzung ein unabdingbarer erster Schritt auf einem hilfreichen diagnostischen Weg:
- Was frustriert mich im aktuellen Fall, was fehlt, was ist zu viel?
- Was kann ich dafür selber beisteuern, was muss von außen kommen?
- Welche sind meine offenen oder versteckten Befürchtungen?
- Unterstützt oder torpediert mein aktuelles Vorhaben vielleicht meine Ziele oder innersten Werte?
- Bin ich möglicherweise gerade dabei, mich selber aufzugeben und alles bzw. alle um mich herum mit in den Abgrund zu ziehen?
- Kann und will ich mich der Situation stellen?
- Könnte ein fachlich versiertes Gespräch hierüber hilfreich sein, und mit wem könnte ich das führen?
- Was wird mein Partner/meine Partnerin davon halten?
Reden Sie mit jemandem darüber, der etwas davon versteht
Eine gut gemeinte Aufmunterung kann immer helfen, eine kleine Hürde zu überwinden. Sie kann aber auch ungewollt verletzen und die notwendige Veränderung noch weiter erschweren. Wenn Sie also merken, dass praktische Tipps – zum besseren Zeitmanagement, zur Arbeitsplatzorganisation, zur Gestaltung des Projektablaufs, zum Umgang mit Ablenkung, zur sprachlichen Selbstprogrammierung usw. -, die Sie zuhauf in der Ratgeber- Literatur und im Internet finden können, nicht an den Kern Ihres Anliegens vordringen, nehmen Sie sich jemanden zur Seite, mit dem Sie Ihrer ganz individuellen Handlungs- und Entscheidungsblockade auf die Spur kommen können. Ob dies für Sie ein gangbarer Weg ist, finden Sie beispielsweise auf der Prokrastinations-Ratgeberseite www.pro-cras.de heraus. Allerdings nur, wenn Sie die Entscheidung nicht weiter vor sich herschieben.